„Wenn man den deutschen Markt erobert, kann man es überall schaffen.“ Darauf, dass diese Redensart der Textilbranche Gültigkeit besitzt, baut der Krefelder Kerem Bul bei seiner aktuellen Aufgabe. Als Country Director Germany soll er den türkischen Herrenmode-Hersteller Kiğılı (sprich „Kirle“) auf die nächste Entwicklungsstufe führen – und zwar von Krefeld aus. Der Showroom auf der Königstraße ist der erste Schritt dieser spannenden Mission, die demnächst mit der Eröffnung eines Stores am Düsseldorfer Flughafen – eine Premiere für ein türkisches Unternehmen außerhalb der Türkei – und dem Verkauf über den Online-Riesen Zalando in die zweite und dritte Phase gehen wird.
Die Spannung ist greifbar. Im Geschäft selbst ist es ruhig an diesem Montagnachmittag, aber wenn man Kerem Bul zuhört, ahnt man, wie viele Aufgaben er derzeit zu bewältigen hat. Der Online-Gang muss vorbereitet werden, für die beiden Verkaufsflächen benötigt er noch Verkaufspersonal. Trotzdem nimmt er sich die Zeit für das Gespräch, gibt bereitwillig Auskunft, redet offen über seine Pläne und seine persönliche Geschichte. „Ich komme aus dem Textilvertrieb und bin dann irgendwann in die Produktion gegangen“, skizziert er seinen Werdegang. „Für große Marken habe ich Lederwaren, vor allem Gürtel und Brieftaschen, hergestellt. Aus dieser Zeit war mir auch Kiğılı schon ein Begriff. Als sie vor einigen Jahren jemanden suchten, der für sie den Launch auf dem deutschen Markt übernimmt, habe ich die Herausforderung gern angenommen und ihnen vorgestellt, wie ich vorgehen würde. Mein Konzept wurde angenommen.“ Kiğılı, benannt nach dem Gründer Abdullah Kiğılı, ist der Herrenausstatter der Türkei, vergleichbar mit dem Modegiganten Boss, und in nahezu jeder türkischen Stadt sowie in vielen süd- und osteuropäischen Ländern mit Geschäften vertreten. „Viele wissen das wahrscheinlich nicht“, erklärt Bul, „aber die Türkei ist nach Fernost einer der größten Textilproduzenten der Welt. Und Kigili ist als Marktführer ein ganz wesentlicher Treiber der Industrie. Aber in seinem Heimatland gibt es kaum noch Möglichkeiten für Wachstum. Deshalb der Blick nach Deutschland.“ Bul ist der ideale Mann, um diese Aufgabe zu meistern: Nicht nur verfügt er über hinreichende Erfahrungen im Handel mit Herrenmode, als Deutschtürke gelingt ihm auch der Transfer zwischen den beiden unterschiedlichen Welten mühelos. Um Kiğılı in Deutschland und von dort aus auch in Österreich und der Schweiz sowie in den Benelux-Ländern bekannt zu machen, setzt er vor allem auf das Shop-in-Shop-Prinzip. „Über renommierte Modehäuser mit bereits etablierter Vertriebsstruktur und großem Kundenstamm zu verkaufen, ist deutlich einfacher, als selbst Shops zu eröffnen“, weiß Bul. Die kleine Boutique auf der Königstraße betrachtet er demnach auch lediglich als Sprungbrett, als kleines Aushängeschild.
Daran, dass auch der deutsche Mann im Sortiment des türkischen Herrenausstatters sein Lieblingsstück findet, besteht bei Betrachtung des Angebots kein Zweifel: Casual Chic ist Trumpf, die Palette reicht von Basics wie dem Wollpullover in verschiedenen Farben über Chinos, Winter- und Übergangsjacken bis hin zu verschiedenen Hemden, Sakkos und Anzügen, aber auch Schuhe sowie Accessoires wie Gürtel, Mützen, Handschuhe und Schals gehören zum Angebot. „Unser Kunde ist der moderne Mann, der am Arbeitsplatz wie in der Freizeit gut und komfortabel gekleidet sein möchte“, weiß der gebürtige Krefelder. Und dabei für vergleichbare Qualität weniger tief in die Tasche greifen muss als bei der bereits etablierten Konkurrenz: „Der Kunde bekommt von uns hohe Qualität zu erschwinglichen Preisen, weil er keinen großen Namen mitbezahlen muss“, weiß Bul. „Dazu kommt, dass alle Waren in der Türkei produziert werden, statt in Fernost. Nachhaltigkeit ist uns sehr wichtig, wir entwickeln unter anderem Garne aus alten PET-Flaschen und etablieren wasserschonende Produktionszyklen. Das sind Werte, die immer mehr Kunden wichtig werden und die wir gern mittragen.“
Kommunikation und Marketing werden in den kommenden Jahren wesentliche Bedeutung zukommen, wenn es darum geht, in die Kleiderschränke der deutschen Männer vorzudringen. So fungiert Kiğılı bereits heute als Ausstatter diverser Fußball-Bundesligisten, aber auch – und da schleicht sich ein Leuchten in die Augen Buls – der Krefelder Pinguine. „Ich bin ein echter Krefelder Jung“, sagt er, „insofern bedeutet es mir sehr viel, gerade hier den Grundstein für die Expansion meines Arbeitgebers zu legen. Es zeigt auch, wie viel Vertrauen er mir entgegenbringt. Er lässt mich machen.“ Bul gerät ins Schwärmen, wenn er berichtet, wie ihn der Inhaber bei Besuchen als „mein Sohn“ begrüßt, Meetings bei Tee und Baklava abgehalten werden und neben dem Geschäftlichen auch immer Platz für das Persönliche bleibt. Es geht familiär zu bei Kiğılı, das mag Bul. Und wenn es nach ihm geht, darf das auch noch so bleiben. Selbst, wenn Deutschland von Krefeld aus im Sturm erobert wird.
Kiğılı Store Krefeld – Kiğılı GmbH
Königstraße 133
47798 Krefeld